Jahre unseres Lebens – Fundstück aus dem Bücherregal meiner Oma
Ein Fundstück der besonderen Art fiel mir nach dem Tod meiner Oma in die Hand. In ihrem Bücherregal entdeckte ich den Bildband “Jahre unseres Lebens” von Hilmar Pabel aus dem Jahr 1954.
Für mich enthält dieses für die damalige Zeit höchst professionell gestaltete Buch wichtige Zeitdokumente in Wort und Bild aus der Kriegs- und Nachkriegszeit.
Ich habe es noch nie geschafft, dieses Buch von Anfang bis zum Ende durchzulesen, weil mich die Fotos wirklich sehr mitnehmen.
Dennoch möchte ich euch heute diesen Band im Rahmen der Aktion Punkt, Punkt, Punkt einmal vorstellen.
Inhalt:
Hilmar Pabel
Der Pressefotograf Hilmar Pabel (1910-2000) arbeitete während des Zweiten Weltkrieg als Kriegskorrespondent. Als Fotograf einer Propagandakompanie fotografierte er unter anderem das Ghetto von Lublin. Nach dem Krieg wurde er für seine Fotoreportagen von den Schauplätzen des Vietnamkriegs und des sowjetischen Einmarsch in Prag bekannt.
Seine Tätigkeit während des Nationalsozialismus sollte man nicht aus den Augen verlieren, wenn man dieses Buch liest.
Jahre unseres Lebens
Der Russlandfeldzug
1939 war die deutsche Kriegeswelt anscheinend noch in Ordnung, auch wenn man viel marschieren musste. Dafür bekam man vom “Russenweib” Milch und Wasser kredenzt.
Andernorts wurden russische Frauen vergewaltigt, aber da war wohl gerade kein Fotograf in der Nähe.
Im russischen Winter froren die Panzer über Nacht fest und konnten nicht mehr bewegt werden. Die Kälte erwies sich als der größte Feind der Soldaten, dafür erhielten sie später den sogenannten “Gefrierfleischorden”.
In der Normandie
Bei diesem Bild muss ich an die alte Frau in Caen denken, die sich 2012 abrupt von uns weggedrehte, nachdem sie mitbekam, dass wir Deutsche sind.
Kriegsende
Das blieb nun übrig vom Tausendjährigen Reich.
Hier war mal die Metzgerstraße und es lebten Menschen in den Häusern.
Waisenkinder
Die braven Kinder bekamen eine Haarschleife und vielleicht sogar Adoptiveltern.
Nie zuvor und danach gab es in Europa so viele Waisenkinder.
Flüchtlinge
Die Flüchtlinge wurden damals genauso ungern aufgenommen, wie heute. Dabei waren sie mit Sicherheit ähnlich verzweifelt und traumatisiert.
Der Nationalsozialismus mit seinen markigen Sprüchen und Großmachtsfantasien hinterließ bettelarme Menschen.
Konrad Adenauer
Man kann von Konrad Adenauer halten, was man will. Aber wahrscheinlich war er der beste Kanzler, den die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland hat haben können.
Nach der Währungsreform
Nach der Währungsreform gab es endlich wieder Waren in den Geschäften. Und wer Geld besaß, konnte sich mal so richtig sattessen.
Deutschland im Kaufrausch, denn “jetzt wird wieder in die Hände gespuckt”.
Ist nun alles wieder gut?
Ein junges Paar blickt auf ein Neubaugebiet, in dem sich vielleicht auch ihr neues Zuhause findet.
Ist nun alles wieder gut? Werden die Jahre unseres Lebens nun besser werden?
Deutschland wird noch lange mit den Folgen der beiden Kriege zu tun haben. Dabei können wir noch von Glück reden, denn alle anderen Länder in Europa haben nicht so viele wirtschaftliche Hilfen bekommen, wie Deutschland.
Was ich an dem Buch Jahre unseres Lebens kritisiere
Dieses Buch zeigt mit der Zusammenstellung der Fotos ein verklärtes Bild aus einer Opferlandschaft bestehend aus der damaligen deutschen Bevölkerung.
Für mich ist aber jeder, der im Jahr 1933 älter als 12 Jahre gewesen ist, nicht nur Opfer, sondern mehr oder weniger Täter. Man kann nämlich auch zum Täter werden, in dem man gar nichts tut oder sich unreflektiert von einer allgegenwärtigen Propaganda beschallen lässt.
Das gilt übrigens heute immer noch.
Was mir überhaupt nicht gefällt ist, dass Pabel die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung einfach unter den Teppich kehrt. Gerade er kann nicht behaupten, von “nichts gewusst zu haben”. Ich glaube aber, dass bei Drucklegung des Buches (1954) eine bundesdeutsche Omertà geherrscht hat.
Dennoch hätte sich der Autor dieser Schuld und diesem Schmerz stellen müssen.
Fazit:
Trotz aller Kritik finde ich dieses Buch als pure Fotodokumentation sehr wichtig, weil es mit seinen Schwarzweißbildern sehr eindringlich und persönlich den Schrecken des Krieges verdeutlicht. Ein Bericht auf N24 oder Phönix über irgendeinen blöden Feldzug aus dem Jahr 1943 könnte diese Aufgabe nie erfüllen.
Wie hat euch mein Fundstück gefallen? Langweilig oder erschreckend?
Würdet ihr euch ein solches Buch kaufen? Ein typisches Coffee Table Book ist es mit Sicherheit wohl nicht.
Bibliografisches:
- Titel: Jahre unseres Lebens. Deutsche Schicksalsbilder
- Autor: Hilmar Pabel
- Gebundene Ausgabe: 127 Seiten
- Verlag: Bertelsmann; Auflage: Lizenzausg. m. Gen. d. Constantin-Verl. Stuttgart (1956)
- Sprache: Deutsch
- Preis: Das Buch ist vergriffen. Aber man kann es im Moment gebraucht ab 9,50 € kaufen.
- Amazonlink
Überhaupt nicht langweilig. Ich habe auch ein paar Schätzchen, die ich hüte. U.a. ein Bildband über unsere kleine Stadt. Er ist schon in der 4. Auflage vergriffen. Ich habe zwei davon. Leider habe ich den letzten nicht mehr ergattern können. Mein Schulleiter war an diesem Projekt maßgeblich beteiligt. Ich finde es wunderbar, alte Fotos und die dazugehörigen Geschichten immer wieder mal ansehen bzw. durchlesen zu können. Mir bringt das viel.
@Horst: Ich mag überhaupt diese Schwarzweißfotos aus alten Zeiten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich manche Straßenzüge verändert haben. Und wie leer die Straßen damals gewesen sind! Unglaublich
LG Sabienes
Oh absolut nicht langweilig liebe Sabienes,
Auch wenn ich teilweise es (das Leben) in real erlebt habe..
würde ich mir dieses Buch kaufen.
Schwarzweißfotos aus alten Zeiten interessieren mich sowieso immer.
Ich hab geschaut, es scheint dieses Buch nur bei Amazon zu geben..
Schade, denn bei Amazon kaufe ich nie etwas..
LG, Elke
@Elke: Hast du es bei Booklooker oder Abebooks auch nicht finden können?
LG Sabienes
@Sabienes: Danke für den Tipp, ich werde schaun.
LG, Elke
Hallo Sabine,
ein wunderbarer Fund, der Bilder wegen. Mir machen Aufnahmen und Dokus aus dieser Zeit Gänsehaut und Unwohlsein. Das ist gut so. Immer wieder hinsehen und sich den Geschenissen stellen, auch wenn man selbst nichts damit zu tun hatte. Helfen können wir nicht mehr, aber helfen indem wir aufmerksam sind und nicht alles glauben, weil es der oder die schon wissen werden.
Liebe Grüße
Sandra
Ein sehr interessantes Buch. Danke für die Zusammenfassung
Jahre ihres Lebens, wenn man bedenkt, wofür sie z. T. gelassen wurden, wird man ganz nachdenklich. Soviel Sinnlosigkeit, dass es sich gar nicht in Worte fassen lässt.
Ob dann mit dem Häuschen und Garten alles wieder gut wurde, ist wirklich frag-würdig. Äußerlich wohl schon, aber sonst?
Eine interessante und sehr ansprechende Vorstellung des Bildbandes hast Du uns mit deinem Post gegeben.
Liebe Grüße
Felicitas
@Sandra: Ich muss immer an die Menschen denken. Wie haben sie sich wohl gefühlt, als sie endgültig aus ihrem Tausendjährigen Traum aufgewacht sind?
LG Sabienes
@Myriade: Gerne geschehen! ;-)
LG Sabienes
@Felicitas: Naja. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen. Und wenn man mit dem Wiederaufbau beschäftigt ist, Haus und Garten und alles ordentlich und so, dann kann man das schlechte Gewissen schon mal vergessen.
LG Sabienes
Beeindruckende Bilder die nie langweilig werden sollten weil man beim Betrachten spürt, dass man immer wieder hinschauen muss, damit sich sowas nicht wiederholt. Sich nicht wiederholt? Fast täglich gibt es solche Bilder ganz aktuell irgendwo auf der Welt, Tote, Verletzte, diese ängstlichen Kinderblicke, neue Waisenkinder, Flüchtlinge, zerstörte Häuser und Städte. Und wir sind an dem einen oder anderen Szenario mit Geld und Waffenlieferungen auch beteiligt. Das wird ja auch meistens unter den Teppich gekehrt…
Ich kenne leider selbst sehr wenig persönliche Geschichten über die damalige Kriegszeit, aber ich weiß, dass mein Vater als junger Mann in Russland war und dort etliche Verletzungen davon getragen hat. Das war alles vor meiner Zeit, als ich geboren wurde war er erst 33 Jahre jung und hatte das alles schon erlebt. Und war bestimmt auch traumatisiert, aber das wurde alles verdrängt, Hauptsache, man hatte überlebt. Gesprochen wurde in der Familie nicht darüber. Unsere Generation hat dann auch ganz schön was von diesem verdrängten Sachen abgekriegt… Ja, selbst da steckt das Wort “Krieg” drin, also statt dessen lieber “abbekommen”…
LG Sabine