Die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt
An diesem Sonntag entführe ich euch einmal die hessische Provinz, nämlich nach Darmstadt. Bei diesem Ort witzelt man vielleicht ohne größeres Wissen über den Namen. Und ignoriert ihn dann demzufolge ganz geschickt.
Die kreisfreie Großstadt im Rhein-Main-Gebiet beherbergt ein wahrhaftiges Kronjuwel, mit dem eigentlich niemand rechnet. Ich spreche von der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe.
Hier wurde am Anfang des letzten Jahrhunderts ein Kunststil namens Bauhaus, samt seinem verschnörkelten Pendant, dem Jugendstil gepflegt. Und somit wurde dort Kunstgeschichte geschrieben.
Inhalt:
Die Mathildenhöhe in Darmstadt
Damit sein „Hessenland erblühe und mit ihm die Kunst“ gefiel es seiner Durchlaucht Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein anno 1899 diese Künstlerkolonie auf einer Erhebung in Darmstadt zu gründen.
Er lud etliche Künstler der verschiedensten Kunstgattungen ein, auf das sie dort leben, arbeiten und sich der Kunst hingeben.
Das ganze Projekt endete in einem finanziellen Desaster. Die dort geschaffenen Werke, stellten gemäß dem Credo von Bauhaus und Jugendstil eine Verknüpfung von Gebrauchsgegenständen, Handwerk und Kunst dar. Leider waren die hier kreierten Produkte für die typischen Besucher oder Käufer noch viel zu avantgardistisch.
1918 musste seiner Hochwohlgeboren dann abdanken, was über kurz oder lang das Ende der Künstlerkolonie bedeutete.
Die Wahrzeichen auf der Mathildenhöhe
Das Wahrzeichen der Mathildenhöhe und zugleich von Darmstadt ist der Hochzeitsturm oder Fünffingerturm. Das Gebäude wurde 1905 fertiggestellt und gehörte ursprünglich zu einem neuen Wasserreservoir. Heute finden hier Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Man kann aber auch etliche Räume für private Feiern mieten.
Ein weiteres Wahrzeichen ist die Russische Kapelle der Heiligen Maria Magdalena, das eigentlich so gesehen weder was mit Bauhaus oder Jugendstil zu tun hat. Es entspricht eher dem Zuckerbäckerstils eines zaristrischen Russlands vor sämtlichen Revolutionen.
Die Russische Kapelle wirkt auf den ersten Blick ein bisschen wie ein Fremdkörper. Auf dem zweiten Blick passt sie sich in die Extravaganz der ganzen Anlage wunderbar an.
Seine Entstehung ist eher privater Natur.
Nachdem der Landesfürst seine kleine Schwester, Alix von Hessen-Darmstadt, gewinnbringend an den letzten russischen Zar Nikolaus II verheiraten konnte, konvertierte diese natürlich sofort zum Russisch-Orthodoxen Christentum. Damit sie aber nun bei einem etwaigen Familienbesuch auch standesgemäß den Gottesdienst besuchen konnte, entstand zwischen all den Jugendstilgebäuden dieses Gotteshaus. Es wurde sogar auf original russischer Erde erbaut.
Falls die Zarin dort um ein langes Leben gebetet haben sollte, so wurde dieses Gebet nicht erhört, wie wir alle wissen. Denn am 17. Juli 1918 wurde sie und ihre ganze Familie in Jekaterinburg erschossen.
Das Museum Künstlerkolonie Mathildenhöhe
Natürlich gibt es auf der Mathildenhöhe auch ein Museum, in dem etliche Exponate der früher dort tätigen Künstler zu sehen sind.
Und um nun endlich das Thema Porzellan bei Punkt, Punkt, Punkt zu bedienen, zeige ich euch nun Teile eines Porzellanservice, erstellt 1902 von Hans Günther Reinstein.
(Klick macht groß)
Die Linien der Gefäße sind schlicht, klar, funktional, aber zugleich edel und faszinierend. Und man muss sich dazu den Geist dieser Zeit vor Augen halten.
Denn nach der vorletzten Jahrhundertwende hatte man gerade mal den Biedermeier mit all seinen unpraktischen Schnörkseln glücklich überstanden. Nun fühlte man sich beseelt vom preußisch-wilhelminischen Gedankengut, der vor dem Ersten Weltkrieg so glorios herrschte. Um dann so katastrophal unterzugehen.
Dieser Künstler war aber seiner Zeit sehr voraus und kreierte einen Gebrauchsgegenstand, der in Form und Dekor auch heute mindestens als annehmbar oder sogar als modern durchgehen würde.
Wenn nicht gar als wunderschön!
Ich bin nicht der allergrößte Fan dieses Kunststils, aber mir würde ein solches außergewöhnliches Tafelservice schon gut gefallen. Vorausgesetzt natürlich, es wäre wie durch ein Wunder für Spülmaschinen geeignet.
UNESCO-Welterbe
Die Mathildenhöhe ist 2014 sehr aufwendig von der Stadt Darmstadt saniert worden. Denn man hatte sich bei der UNESCO für den Status einer Welterbestätte beworben. 2019 wird über die Erteilung dieses Status entschieden werden, was Darmstadt als Bauhaus- und Jugendstilstadt einen besonderen Status bringen wird.
Noch ein paar Informationen:
Weitere Informationen zur Mathildenhöhe samt ein paar supertollen Fotos findet ihr auf der dazugehörigen Seite.
Wenn ihr nun glaubt, ein Déjà Vu zu haben, dann kann ich euch beruhigen. Denn auf meinem Blog Traumalbum habe ich euch bereits Fotos über die Mathildenhöhe gezeigt. Aber ich denke, diese Anlage ist es wert, noch einmal vorgestellt zu werden.
Und wenn ihr mal in der Nähe von Darmstadt, Frankfurt, Raunheim, Aschaffenburg oder gar Obernburg seid, dann kann ich euch einen Besuch nur empfehlen.
Alle Fotos: Die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt ©sabienes.de
Text: Die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt ©sabienes.de

Hallo Sabine,
das wäre dann nach unserem Frankfurt-Trip das nächste, was wir gemeinsam mal machen könnten. Denn wie das so ist, man ist so nah dran und doch so weit weg. Ich kenne natürlich die Mathildenhöhe, aber ins Museum habe ich es noch nicht geschafft. Das Dekor ist für den Entstehungszeitraum wohl wirklich sehr modern gewesen. Ich finde es auch einfach nur zauberhaft. Ein Hoch auf Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, denn auch wenn später finanzielles Debakel, ist das wirklich eine tolle Errungenschaft und Einrichtung für Darmstadt.
Liebe Grüße
Sandra
Wunderschöne Bilder hast Du da gemacht.
Liebe Grüß
Sassi
Wow, das ist ja wirklich was für´s Auge und interessant. Schade, dass wir so weit entfernt wohnen. LG Romy
@Sandra: Stimmt! Und somit hätten wir sofort wieder ein Date! *freu*. Wir haben damals im Museum eine Führung gemacht und das ist wirklich sehr empfehlenswert.
LG Sabienes
@Sassi: Danke! <3
LG Sabienes
@Romy: Naja, vielleicht kommst du da ja mal vorbei! Man weiß ja nie ….
LG Sabienes
Dieses Porzellanservice, von 1902, gefällt mir persönlich sehr gut.
Hätte nicht gedacht das dieser Stil schon damals geschaffen wurde.
LG, Elke
Guten Morgen, Sabienes,
auch mir gefällt dieses Service sehr, sehr gut. Noch besser aber gefällt mir die russische Kapelle. Nun weiss ich: Falls mein Traum “Irkutsk” nicht wahr wird (was ziemlich wahrscheinlich ist), reise ich nach Darmstadt. :-)
Mit lieben Grüssen aus der Schweiz
Barbara
@Elke: Stimmt. Und da ist es nicht verwunderlich, dass das damalige Bürgertum dieses Dekor nicht so recht hat annehmen wollen, oder?
LG
Sabienes
@Barbara: Wenn du nach Irkutsk fährst, komme ich mit. Darmstadt kenne ich ja schon ;-)
LG
Sabienes
Liebe Sabine,
ich habe vor vielen Jahren mal in Darmstadt gewohnt und kenne die Sehenswürdigkeiten, die Du beschreibst. Deinen Text zu lesen war ein bisschen wie eine Reise in die Vergangenheit. Das andere Highlight der Stadt am Darmbach ist für mich die Rosenhöhe. Ist sie noch so schön wie früher?
Viele Grüße
Ina
@Ina: Auf jeden Fall. Die Rosenhöhe ist wunderschön und die Felder dahinter sind toll zum Wandern.
Ich mag DA sehr, nicht nur, weil mein Sohn dort wohnt.
LG
Sabienes