Über die angeblichen Müllberge der Flüchtlinge
Seit einigen Tagen werden wir auf Facebook von Bildern über Müllberge erfreut, die Flüchtlinge auf ihrem Exodus ins oder durch das gelobte Land hinterlassen haben sollen.
Allzuschnell sind dann gleich einige passende Kommentare zu lesen, bei denen es an großdeutschem Vokabular einer selbsternannten Herrenrasse nur so strotzt.
Und natürlich habe auch ich erstmal über diese Müllberge gestutzt und mich gewundert. Aber wenn man mal ein bisschen recherchiert und nachdenkt, wird einem schnell klar, wie es zu solchen Aufnahmen kommen kann.
Inhalt:
Viele Menschen machen viel Müll
Dies ist schon fast ein Naturgesetz. Schaut euch einmal Orte an, wo viele Menschen zusammenkommen. Das kann ein Zugabteil sein, in dem eine johlende Schar von Zehntklässlern auf Klassenfahrt geht oder die Theresienwiese während des Oktoberfests oder der Ballermann auf Mallorca: Hier entstehen fast zwangsläufig Müllberge durch die dort anwesenden Menschenmassen. Dass wir sie nicht sehen, ist den vielen dienstbaren Geistern geschuldet, die nächtlings den Dreck wieder aufräumen. Oder schaut euch in Gemeinden um, in denen die Restmülltonne gewogen wird. Dort gehört es schon fast zum guten Ton, den zusätzlichen Müll in der Natur, möglichst bei einem Rastplatz, wild zu entsorgen.
Solche Müllberge stammen nicht von Flüchtlingen. Das angeblich “verkommene Pack”, das angeblich “keine Kultur hat” besteht in diesen Fällen meist aus Deutschen.
Ein Bild lügt mehr, als tausend Worte
Spätestens mit Photoshop dürfte es kein Problem mehr sein, irgendwelche Objekte in irgendwelche Landschaften zu zaubern. Das gilt auch für Unrat.
Stellenweise wurden bei den oben genannten Bildveröffentlichungen sogar Fotos von Open Air Konzerten verwendet, um einen netten Grund zu haben, gegen Flüchtlingen zu hetzen und dabei noch den ordentlichen deutschen Bürger mir ins Boot zu nehmen.
Übrigens gibt es auf Facebook auch Seiten, die ihre Leserschaft nicht aus dem Heer der Gehirnamputierten anwerben, zum Beispiel: Denken hilft.
Die Situation der Flüchtlinge
Ich habe noch keine Flüchtlingskolonnen live beobachten können, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Menschen sich vor ihrer Flucht noch schnell ein paar schwarze Müllsäcke einpacken. Auch werden die wenigsten auf ihren Weg ins Ungewisse einen Mülleimer hinter sich herschleifen. An irgendeinem Punkt bekommen sie dann frische Kleidung geschenkt und schmeißen ihr altes Zeug weg. Natürlich ist es nicht OK, wenn der Müll einfach irgendwo hingekickt wird, aber im Moment muss man an diesem Problem noch nicht ansetzen, denke ich.
Das kann man später machen, wenn die Leute sich in einem Flüchtlingsheim eingerichtet haben. Tatsächlich scheint es bei vielen Menschen aus Krisenregionen ein gewisses Defizit in punkto Müllentsorgung oder gar Mülltrennung zu geben. Denn in den Herkunftsländern hat man andere Probleme, als eine funktionierende kommunale Müllentsorgung aufzubauen. Deswegen sind Flüchtlinge keine “Dreckschweine”, sie müssen den Umgang mit Müll erst mal lernen.
Der Splitter im Auge des anderen und die Müllberge im eigenen Auge
Ich komme jetzt mal biblisch mit dem Matthäus-Evangelium und einem Satz, den ich für sehr weise halte:
Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?” (Matthäus 7:3)
Und nun frage ich euch oder ihr fragt dies jemanden, der sich über angebliche (oder real existierende) Müllberge von Flüchtlingen aufregt:
- Wann hast du das letzte Mal einen Kaugummi “einfach so” im großen Mülleimer, sprich “Straße” entsorgt oder
- deine Kippe aus dem Autofenster geworfen oder
- deinen Deutschen Schäferhund auf den Gehweg kacken lassen, ohne den Haufen wegzuräumen?
Und:
- Was verheizt du alles in deinem urgemütlichen Kachelofen, was der Schornsteinfeger nicht wissen darf?
- Hast du dich schon mal an einer öffentlichen Abfallsammelaktion beteiligt?
- Wann hast du das letzte Mal billig minderwertige Ware gekauft, die nach dem Prinzip der geplanten Obsoleszenz gefertigt wurde?
Müll und Müllberge ist nämlich immer noch ein Problem, das hauptsächlich in den westlichen Industrienationen besteht.
Also gehen wir mit gutem Beispiel voran, räumen unseren Müll auf den Müll und wenn wir sehen, dass dies einer nicht tut, dann machen wir ihn darauf aufmerksam.
Und noch was und ich werde euch das nun immer wieder sagen und bitte twittert diesen Spruch auch.
Nicht, weil er so gut ist, sondern weil es wichtig ist, dieser ganzen idiotische, braune, neofaschistische Hetze entgegenzutreten:
[Tweet “Flüchtlinge sind in erster Linie Menschen und gehören auch so behandelt #bloggerfuerfluechtlinge “]
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, und leider benutzen wir oft nicht den korrekten Weg, Dinge loszuwerden. Am schlimmsten ist Selbstgerechtigkeit und mangelnde Fähigkeit zu Selbstkritik.
Schon so früh am Morgen bringst Du uns zum Nachdenken, aber Du hast ja so recht!
Liebe Grüße
Felicitas
@Felicitas: Selbstgerechtigkeit sollte man als Todsünde deklarieren – oder gehört das schon dazu?
LG
Sabiene
Jeder kennt die Bilder von Festgeländen am Morgen nach einer Veranstaltung, oder von anderen Orten an denen sich größere Gruppen von Menschen aufgehalten haben. Schon von daher ist es ein schlechter Witz jetzt solche “Flüchtlingsmüll-Fotos” zu veröffentlichen und sich über die Zustände aufzuregen. Um von sich selbst abzulenken, bzw. erst gar nicht die eigenen Verhaltensweisen hinterfragen zu müssen, lassen sich immer schnell andere Schuldige finden, und da kommen die Flüchtlinge grade recht.
Das Müllentsorgungsproblem in unserer Wegwerfgesellschaft ist auch keineswegs auf irgendwelche “unteren” Schichten der Bevölkerung beschränkt. Selbst in unserem tollen Akademikerviertel mitten in Hamburg stellen die Leute ihren Sperrmüll einfach bei Nacht und Nebel auf die Straße, in der Gewissheit, dass nach spätestens ein paar Tagen die Stadtwerke von genervten Anwohnern informiert werden und den Müll abtransportieren. Warum soll man seinen Sperrmüll zum Recyclinghof fahren, funktioniert doch so viel einfacher und billiger.
Ich glaube ja, dass alles irgendeinen Sinn hat, auch die Tatsache, dass wir jetzt mit den Flüchtlingen konfrontiert werden. Das ist keine Bedrohung, sondern ein Aufwecker, eine Chance, sich mal wieder zu besinnen, wie gut es uns geht. Und wir verhungern nicht, und wir landen auch selbst nicht unter der Brücke wenn wir was abgeben. Und das sind hauptsächlich sowieso nur Dinge, die wir nicht mehr brauchen, einfach lächerlich.
Wir haben auch vergessen, dass Menschen vor allen Dingen soziale Wesen sind, die Gefühle und ein Herz besitzen. Deshalb kann ich den Spruch: “Flüchtlinge sind in erster Linie Menschen und gehören auch so behandelt!” nur dick unterstreichen. Zum Glück wachen immer mehr Menschen langsam auf…
LG Sabine
@Sabine: Das Foto ist auch illegal abgeladener Sperrmüll, mitten im ordentlichen Franken. Es ist mit Sicherheit auch nicht alles toll unter den Flüchtlingen und diese ganze Euphorie ist vielleicht auch ein bisschen seltsam. Aber Menschen von vorneherein zu verurteilen, das mag ich gar nicht.
LG
Sabiene