Flucht aus dem Neubaugebiet – Tausche Eigenheim gegen Infrastruktur
Seit etlichen Jahren erschließt jede Gemeinde, die etwas auf sich hält, ein eigenes Neubaugebiet am Ortsrand. Denn Neubaugebiete bringen nötigen Wohnraum für die Menschen und gutes Geld in die Gemeindekasse.
Dort siedeln sich dann in einer Schillerstraße oder in einem Heckenweg junge Familien an. Dabei bilden sie ich dann ein kleines eigenes kleines Universum.
Aber irgendwann sollte man aus einem Neubaugebiet wieder flüchten.
Warum?
Inhalt:
Little Boxes
Platz für die Familie … einen Garten für die Kinder zum Spielen … Natur! …
Dies sind wahrscheinlich die wichtigsten Motive, die junge Familien dazu treibt, sich eine eigene, abgezirkelte Scholle aus dem örtlichen Bebauungsplan zu erwerben. Notfalls wird einfach ein kleines Reihenhäuschen oder Doppelhaushälfte im Neubaugebiet gemietet, Hauptsache raus aus der engen Stadtwohnung.
Aber schön sind diese “Little Boxes”, wie sie bereits von Malvina Reynolds und später Pete Seeger so treffend besungen wurden, nicht immer.
Aber praktisch! Man trifft hier als junge Familie fast unweigerlich auf viele andere junge Familien mit Kindern im gleichen Alter.
Infrastruktur im Neubaugebiet
Leider fehlt den meisten Neubaugebieten eines: die Infrastruktur.
Geschäfte, Gaststätten, aber auch Ärzte oder kulturelle Einrichtungen findet man in vielen Fällen “Down Town”.
Dadurch ergeben sich etliche Wege zu Supermärkten oder Kinderbelustigungen und erfordern automatisch die Anschaffung eines familiären Zweitwagens. Und tatsächlich sieht man zu bestimmten Uhrzeiten regelrechte Kolonnen von familienfreundlichen Minivans oder Combis zu den typischen Zielen wie Diskounter oder Musikschule fahren.
Flucht aus dem Neubaugebiet
Blickt man auf die Angebote der Immobilienmakler oder schaut sich bei den einschlägigen Immobilienportalen, wie auf immowelt.de um, entdeckt man immer wieder Objekte in den bekannten Neubaugebieten, die zum Vermieten oder zum Verkauf angeboten werden.
Ist es denn vernünftig, nach jahrelangen Hypothekenzahlungen diese Insel des persönlichen Glücks wieder zu verlassen?
Vieles spricht dafür, und ich meine, man sollte sie nicht nur verlassen, man sollte ab einem bestimmten Zeitpunkt aus den Neubaugebieten regelrecht flüchten!
Denn irgendwann sind die Kinder groß und ziehen aus. Begriffe wie “Vaterhaus” oder “Elternhaus” sind in einer mobilen Gesellschaft viel weniger emotional belegt, als wie vor 50 Jahren.
Dann ist der ganze Platz in dem halbleeren Haus nur noch eine Bürde, die Spielgeräte im Garten sind längst abgebaut und die Natur ist plötzlich auch ein bisschen einsam geworden.
Und wenn dann in der Nachbarschaft junge Familien einziehen, deren Kinder einen vielleicht eher stören, wird es an der Zeit, sein Eigenheim gegen eine urbanere Wohnweise einzutauschen. Dort kann man sich wie vor 25 Jahren als junges Paar an den Segnungen des städtischen Lebens neu erfreuen.
Und abends trinkt man dann mit anderen, nicht mehr ganz so jungen Eheleuten, deren Kinder ebenfalls ausgezogen sind, ein gemütliches Bier in der Kneipe gleich ums Eck.
Foto: Flucht aus dem Neubaugebiet – Tausche Eigenheim gegen Infrastruktur ©Sabienes.de
Text: Flucht aus dem Neubaugebiet – Tausche Eigenheim gegen Infrastruktur ©Sabienes.de

Ja Neubaugebiete sind so eine Sache, in den Dorfgemeinden und mittleren Städten entstehen schon *Familienghettos* in den Großstädten ist es noch *schlimmer*, wir hatten gestern eine Aktion und haben einen der hässlichsten neuen Plätze *bevölkert* (incl Möbel, Kindern und Hunden), Städteplanung ist nicht unbedingt ein wohlgelittenes Thema in Gemeinderäten …LG Marianne
@Marianne vom Kokelores: Diese Neubaugebiete sind ja wirklich praktisch, gerade wenn man neu in die Gegend gezogen ist und kleine Kinder hat. Da findet man schnell Gleichgesinnte. Und irgendwo müssen die Leute ja auch hin. Aber der Begriff Familien-Ghetto trifft es wirklich ganz gut. Den Gemeinden ist hauptsächlich am Geld gelegen und sie kümmern sich um andere Dinge oft weniger.
LG
Sabienes
Was hindert eigentlich den Architekten daran, auch in Deutschland in Neubaugebiete hier und dort mal etwas anderes als mit oder ohne Holz verkleidete Schuhkartons zu bauen? Und was hindert den Gemeinden daran, in den Neubaugebieten nebst langweilige Spielplätze auch kleinere bis mittelgroße Geschäfte und die ein oder andere Kneipe zuzulassen? Genau, nur sie selbst.
@Leo: Wie die Häuser aussehen, bestimmen die Bauherren selbst. Und da gibt es bestimmte Moden. Wenn in einem Bebauungsplan auch gewerbliche Betriebe, wie Geschäfte oder Kneipen vorgesehen sein sollen, dann ist das kein Neubaugebiet mehr, sondern ein Mischgebiet und wird anders gehandhabt, vielleicht sogar anders bezuschusst. Und da stellen sich die Gemeindeväter sehr rigide an.
LG
Sabienes
Mein Papa sagt immer (typischer Bauer, der nie was anderes kannte als sein Elternhaus), dass Wohnungen wie Käfighaltung für Menschen sei und er nicht versteht, wie man in einer Wohnung wohnen kann. Muss ihm da zustimmen, auch (oder gerade weil) ich auch gerade in einer Wohnung wohne! =)
Und ja – Elternhaus ist bei mir noch emotional behaftet! =P
@Daggi: Und der kleine Bruder wird das Haus nicht übernehmen? Viele Eltern ziehen ja ihren Kindern hinterher, was auch ein ganz interessanter Aspekt ist.
LG
Sabienes