Vorurteile gegenüber Ausländern und überhaupt
Muslim, frisch gewaschen und sehr freundlich
Vorurteile haben eine ähnliche Dynamik wie Gerüchte, sind aber wesentlich stabiler in ihrer Präsenz.
Oft weiß man nicht, wie sie entstehen und wer sie als erster verbreitet hat. Aber manchmal fressen sie sich in ein paar aus der Mode gekommene Gehirnzellen ein und leben dort weitgehend unerkannt, bis sie durch ein Wort, eine Geste, ein Bild aktiviert werden.
Dann sind auf einmal alle Blondinen doof, alle Männer Schweine und es regnet immer nur, wenn man frei hat.
Inhalt:
Beispielhafte Vorurteile
In meiner Kindheit stand in Hamburg in jedem besseren Eck ein Softeisverkäufer mit einer Softeismaschine in der Größe einer Mega-Kühlgefrierkombination. Ich habe dieses süße, weiches Eis geliebt (daran hat sich bis heute nichts geändert) und die Frage aller Fragen war immer: “Erdbeer oder Schoko?”
Auf einmal traten gehäuft Fälle von Salmonellen-Erkrankungen im Zusammenhang mit Softeis-Verzehr auf.
Dazu hieß es damals in Hamburg (HAMBURG – Tor zur Welt, nicht irgendein daher gelaufenes Provinzkaff), dass die Softeis-Verkäufer Schuld an diesen Krankheitsfällen hätten. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Muslime (ich glaube, Pakistanis, ist aber auch egal). Diese hätten manchmal Ramadan und in dieser Zeit dürfen sie sich nicht waschen.
Meine Eltern haben versucht, tolerant und liberal zu denken und das rechne ich ihnen für Kinder dieser Generation hoch an. Sie erzogen mich in dem Wissen, dass man keinen Menschen wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Religion, Staatsangehörigkeit verurteilen darf – also ziemlich Grundgesetz konform.
Allerdings bekam ich wegen der Salmonellengefahr kein Softeis mehr gekauft, dass war für mich ziemlich tragisch.
Vorurteile bleiben hängen
Im Zusammenhang mit dieser Geschichte blieb folgendes bei mir an Vorurteilen hängen (und ich war damals ein kleines Kind, höchstens 8 Jahre alt):
– Softeis ist gefährlich und deswegen verboten
– Softeis ist lecker und ist das Risiko wert, dass man es sich heimlich kauft
– Muslime sind auch Menschen und wahrscheinlich nett
– Muslime waschen sich nicht, wenn sie Ramadan feiern
– Ramadan ist etwas, bei dem man sich nicht waschen darf.
Inzwischen bin ich älter und ein wenig gereist und belesen und weiß nun, dass sich entgegen aller Vorurteile Muslime sehr wohl waschen und bis zum 20. Jahrhundert die Christen ziemliche Dreckspatzen waren.
Außerdem weiß ich nun, dass die Salmonellen im Softeis durch die mangelhafte Kühlleistung der Geräte entstanden sind.
Softeis ist lecker, das Risiko des Genusses war es allemal wert. Man soll wirklich nicht alles glauben. Besonders wenn es sich hierbei um Vorurteile oder Gerüchte handelt!
Foto: Vorurteile gegenüber Ausländern und überhaupt ©sabienes.de
Text: Vorurteile gegenüber Ausländern und überhaupt ©sabienes.de
